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Martina Mulch-Leidich, Isabell Achenbach, Esther Düringer und Roswitha Seidler setzen Akzente im Gottesdienst

Mehr als nur Ersatz

Wer in dieser merkwürdigen Zeit davon spricht, dass eine Krise auch Chancen beinhaltet, der läuft Gefahr, mit dieser Aussage in den Bereich der Floskel gerückt zu werden. Wer sich aber unsere Gottesdienste in Corona-Zeiten in Dorf-Güll und Holzheim anschaut, der findet diesen Satz bestätigt. Denn aus den Folgen der Beschränkungen kann etwas erwachsen.

 „Singen verboten!“, heißt es seit der Wiederaufnahme unserer Gottesdienste. Zu groß ist die Gefahr, dass das Virus durch den Gesang verbreitet wird. Gerade in geschlossenen Räumen nimmt dadurch die Gefahr der Infektion zu. Die Folge: Die Orgel spielt, und es fehlt etwas. Mitsummen der Kirchenlieder oder das Vortragen der Liedtexte durch den Pfarrer sind nur unzureichender Ersatz. Aber Abhilfe ist da: Wir haben ja auch ausgewiesene Sängerinnen in unseren beiden Stadtteilen. Etwa die aus Holzheim stammende und jetzt in Annerod lebende Isabell Achenbach, die Dorf-Güllerinnen Esther Düringer und Martina Mulch-Leidich sowie Roswitha Seidler aus Holzheim. Immer wieder sind sie in unseren Kirchenmauern zu hören und gestalten den Gottesdienst mit. Pfarrer Matthias Bubel ist jedenfalls hochzufrieden und spricht dem gesamten Quartett ein besonderes Lob aus: „Sie sind so mit dem Herzen dabei!“

Und auch die Interpretinnen haben Gefallen an ihren Auftritten und ihrem Mitwirken gefunden. Unisono sind sie der Meinung, dass man diese Gestaltung des Gottesdienstes auch in „normalen“ Zeiten beibehalten könne. Und, das sei ebenfalls schon verraten, der Vorschlag von Roswitha Seidler, einmal gemeinsam in den Kirchen aufzutreten, findet bei den drei anderen Sängerinnen ungeteilte Unterstützung.

 

Richtung Schlager und Pop

Für Isabell Achenbach war der erste der beschriebenen Auftritte mit viel Lampenfieber verbunden. Zwar singt die Versicherungs-Kauffrau nebenberuflich in einer Band und hat auch schon Hochzeiten in der Kirche mit ihrer Stimme begleitet. Aber ein gesangliches Mitwirken im Gottesdienst, da hatte sie noch keine Erfahrung. „Vor dem ersten Auftritt war ich sehr aufgeregt. Ich war unschlüssig, ob ich die Leute kriegen kann“, erzählt sie. Aber es bestand kein Grund zur Aufregung. „Als ich nach dem Gottesdienst nach Hause bin, da hatte ich ein wunderbares Gefühl“, blickt sie zufrieden zurück.

Dazu beigetragen hat sicherlich, dass sie die Lieder gemeinsam mit Pfarrer Bubel ausgewählt hat und sie aus ihrer Jugend schon über einige Vorverfahrungen bezüglich des Liederangebotes verfügt. „Es gibt diese Lieder“, nennt sie stellvertretend „Stern, auf den ich schaue“. Ein zweiter wichtiger Faktor war die gute Zusammenarbeit mit Christoph Kälberer. „Er ist ein Vollblutmusiker“, lobt sie ihren musikalischen Begleiter in der Kirche. Denn zum einen gab es aus zeitlichen Gründen  für die junge Mutter keine Möglichkeit zur Probe, und zum anderen sei sie ja trotz ihrer diversen Engagements keine ausgebildete Sängerin. Unwidersprochen stimmt sie dem Eindruck zu, dass mit ihren Lied-Interpretationen etwas Schlager und Pop ins Kirchenschiff eingekehrt sei.

Und eine Episode will Isabell Achenbach noch loswerden. Nach einem Gottesdienst seien ein paar ältere Damen auf sie zugekommen und hätten gesagt, dass ihr Gesang ein Grund sei, warum Corona noch ein bisschen länger bleiben könne. Solche Sätze empfindet sie als besonderen Lohn: „Das gibt einem unwahrscheinlich viel!“

Ohne bestimmten Stil

Esther Düringer macht eher auf Understatement. Sie sei keine ausgebildete Sängerin, trete sonst nicht alleine auf, verfüge über keinen bestimmten Stil und sei eigentlich „so reingerutscht“. Dabei singt sie schon seit Jahren „mit Lust an der Freude“ und hat auch schon verschiedene Auftritte mit dem Chor des Dorf-Güller Gesangvereins in der Kirche hinter sich. Und sie empfindet die Gottesdienst-Begleitung als „unsere Aufgabe im Dienst Gottes“.

Zur eigenen Erkenntnis „Du könntest das doch auch“ kam irgendwann die Anfrage von Pfarrer Bubel. Gefragt, getan. Und ohne großen Plan kam zum eigentlichen vorgesehenen Solo-Auftritt die Unterstützung durch ihren Mann Holger, der ihre Alt-Stimme immer mal wieder per Gitarre begleitete. Teilweise wird Esther Düringer aber auch durch die Orgel begleitet. „Das hat beides sehr gut geklappt“, scheint da doch einiges Talent zu schnuppern. Von dem sich bislang aber nur die Dorf-Güller Kirchgänger ein Bild machen konnten. Denn auf eigenen Wunsch ist Esther Düringer bislang nur in den gewohnten Mauern aufgetreten.

Angesichts des Echos wird sie sich diese Beschränkung aber vielleicht überlegen. „Es ist sehr schön“ und „Man nimmt das Singen ganz anders wahr“, hat sie schon als Resonanz erfahren. Deshalb plädiert sie auch ausdrücklich dafür, dass diese Form des Gottesdienstes auf jeden Fall beibehalten werden soll. Ohne in Abrede zu stellen, dass der Gemeindegesang „schon wichtig“ sei.

 

Die „Balladen-Frau“

Im Gegensatz dazu darf Martina Mulch-Leidich als alter Hase im (heimischen) Musik-Wesen bezeichnet werden. Denn die aktive Bankkauffrau aus Dorf-Güll kennt das Gefühl des Auftritts vor Publikum inzwischen sehr gut. Dabei ist sie vorwiegend in Richtung Folksong und Singer-/Songwriter unterwegs und bezeichnet sich selbst mit einem Schmunzeln als „Balladen-Frau“. Auch Auftritte in der Kirche gehören zu ihrer Biografie. „Das ist meine musikalische Geschichte, das ist für mich ein mitliebster Ort“, sagt sie dazu. Dennoch habe es durch die Corona-Bedingungen einige Zeit gedauert, bis sich das einpendelte. „Jetzt ist das entspannt und normal.“  Martina Mulch-Leidich freut sich, dass „ich das machen und diese Lücke füllen darf“. Sie wünscht sich, dass die Besucher aus dem Gottesdienst herausgehen und einen „Moment des Genusses“ gehabt haben. So berichtet sie von zwei Besucherinnen in Holzheim, die nach dem Gottesdienst vor der Kirche auf sie gewartet hätten und ihr mitgeteilt hätten, extra wegen ihrem Gesang gekommen zu sein.

Etwas ungewohnt seien die fehlenden Proben, gibt sie zu. Aber die gute Liedauswahl mit Pfarrer Bubel lobt auch sie. Dabei sorge der bei der Abstimmung mit ihr quasi für ein „Vorkonzert“, wenn er ihr die ihr unbekannteren Lieder vorsinge. So habe sie aber auch schon etliche neue Lieder gelernt. Und die Zusammenarbeit mit den Organisten laufe ebenfalls sehr gut: „Waldemar (Mosebach) und die anderen können sich superschnell einstellen.“ Alleine der Wechsel der Organisten von Dorf-Güll nach Holzheim in kurzer Folge sei nicht ganz unproblematisch. Was Martina Mulch-Leidich aber nicht davon abhält, im Terminkalender weiter auf freie Sonntage zu hoffen.

 

In Oper und Operette zu Hause

Die Vorgaben des Alphabets setzen Roswitha Seidler an den Schluss dieser Aufzählung. Dabei nimmt die Holzheimerin in diesem Quartett eine besondere Rolle ein. Nicht, weil sie nach den Worten von Pfarrer Bubel die „singende Oma beim Einschulungs-Gottesdienst“ war. Nein, Roswitha Seidler ist in diesem Quartett im Sopran zu Hause. Und so freut sie sich bei ihrer Gottesdienst-Begleitung vor allem auf die alten Lieder der Kirchenmusik. „Da kann ich meine Stimme richtig rauskommen lassen“, ist sie nun einmal mit den höheren Gefilden besser vertraut und stimmt auch gerne der Einschätzung zu, dass sie Elemente der Oper und der Operette ins Kirchenschiff einbringe.

 

Doch bei all ihrer Routine will Roswitha Seidler nicht verschweigen, dass sie bei ihren Auftritten „immer aufgeregt“ sei. „Nach der ersten Strophe geht es dann“, setzt aber bald die Erfahrung ein. Dabei seien bei den Gottesdiensten viele Lieder Neuland für sie. Sie sieht sich dabei von Waldemar Mosebach „gut unterstützt“, gesteht aber auch: „Die Probe fehlt einem schon.“ Insgesamt sei es aber eine „tolle Erfahrung“, und gerade der Einschulungsgottesdienst habe ihr „sehr gut“ getan. Wenn beim Einschulungs-Gottesdienst  alle „total aufmerksam“ seien, „dann freut einen das einfach“.  Auch sie hat einige positive Resonanz erfahren, so dass sie stellvertretend für ihre Mit-Singerinnen ein Zwischen-Fazit ziehen kann: „Wenn die Gottesdienst-Besucher sagen, es war wirklich schön, dann bin ich zufrieden.“ Schon allein deshalb lohnen die Anstrengungen, einmal das Dorf-Güll-Holzheimer Quartett gemeinsam einen Gottesdienst mitgestalten zu lassen.


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